1000 Jahre Wathlingen: Ort der Entscheidungen

(mt) Die Schul- und auch die Kirchstraße münden in Richtung Eicklingen in das Halbrund des Platzes „Am Thie“. Noch heute umgeben mehrere der ältesten Bauernhäuser diesen Platz im Osten unseres Dorfes, der heute vom Feuerwehrhaus überbaut ist.

Schon vor über tausend Jahren mögen sich an dieser Stelle – vielleicht damals unter Linden - die freien Bauern Wathlingens zu Beratungen zusammengefunden haben. Hier wurde wohl unter Leitung des gewählten Bauermeisters (mhd. Burmeister) über öffentliche Angelegenheiten des Dorfes beraten, die Anordnungen der Obrigkeit wurden hier entgegengenommen und verlesen, das Los über die jährliche Verteilung der Gewanne (= die im Rahmen der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft privat genutzte Fläche) wurde hier geworfen, die Verpachtungen der Gemeindeländereien und die Verpflichtung der Hirten durch Handschlag fanden hier statt und es war wohl auch der Ort, wo später die Dorfgemeinschaft ihre Feste feierte.

Thie-Plätze oder Thie-Orte gibt es in vielen Dörfern im Raum zwischen Kassel und Hannover. Die Herleitung des Wortes „Tie“ ist nicht eindeutig. Nach einer Deutung besagt das Wort so viel wie „ansagen, verkünden“ und dies würde der Funktion des Platzes entsprechen. Eine andere Deutung lehnt es vom altenglischen „tig“ oder „tih“ und dem altnordischen „teigr“ ab, was „Hof“ oder „Platz“ bedeutet. Beides scheint möglich und beides macht Sinn.

Eine populäre Verwechslung gilt es zu vermeiden: Ein Thie-Platz hatte immer einen direkten Bezug zum Dorf. Er ist nicht mit einer „Thingstätte“ zu verwechseln, die regionale und teilweise sogar überregionale Bedeutung hatte und außerhalb der Dorfgemarkung lag.

Es wäre eine nette Geschichte, wenn es die Magie der alten Versammlungsstätte gewesen wäre, die in den fünfziger Jahren den Gemeinderat wieder in die Nähe des alten Versammlungsortes zog. Damals hielten die Ratsleute nämlich ihre Sitzungen über das Wohl und Wehe des Ortes in der „Kiemannschen Gastwirtschaft“ (auch „Gasthaus Niedersachsen“) ab, die Am Thie 2 lag, in unmittelbarer Nähe zum Versammlungsplatz der Altvorderen. Erst am 3. Dezember 1959 zogen sie in das neue Rathaus „Am Schmiedeberg“ um.

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